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Daniel Leutenegger, Rathausgasse 18, CH-3011 Bern, www.ch-cultura.ch

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"WORKS ON PAPER - PAPIERARBEITEN AUS DER SAMMLUNG"

"WORKS ON PAPER - PAPIERARBEITEN AUS DER SAMMLUNG"

30.10.2021 Ausstellung im Museum Haus Konstruktiv, Zürich, bis am 16. Januar 2022


Bild: Walter Dexel, Komposition mit grossem schwarzem L, 1964, Collection Museum Haus Konstruktiv Zürich 

Das Museum Haus Konstruktiv eröffnet zum ersten Mal eine Ausstellung, in der ausschliesslich Werke auf Papier aus der eigenen Sammlung präsentiert werden. Anhand ausgewählter Druckgrafiken und Zeichnungen sowie Gouachen, Collagen und Fotografien zeigt das Haus, welche zentrale Rolle dieses Medium im Schaffen konstruktiv-konkreter und konzeptueller KünstlerInnen einnimmt.

Viele Vertreterinnen und Vertreter der konstruktiv-konkreten Kunst haben neben ihrem malerischen Schaffen auf Leinwand und ihrem plastischen Arbeiten mit Granit, Messing, Plexiglas und anderen Materialien auch mit Papier gearbeitet. Max Bill, Richard Paul Lohse, Karl Gerstner oder Gottfried Honegger etwa haben durch die innovative Gestaltung von Werbeplakaten, Annoncen, Büchern oder Firmenbroschüren die moderne Schweizer Grafik mitgeprägt und ihr zu internationalem Renommee verholfen. Und auch für ihre freie künstlerische Arbeit befassten sich einige konstruktiv-konkret arbeitende KünstlerInnen intensiv mit den Herausforderungen und Möglichkeiten der Grafik und mit der Anwendung unterschiedlicher Drucktechniken.

Im Museum Haus Konstruktiv wurde das druckgrafische Kunstschaffen bislang selten in den Fokus gerückt. Die Ausstellung "Works on Paper – Papierarbeiten aus der Sammlung" schliesst diese Lücke. Präsentiert wird eine Auswahl von Druckerzeugnissen wie Lithografien, Kupferstichen oder Serigrafien. Hinzu kommen ausgesuchte Sammlungswerke auf Papier, auch von heutigen Kunstschaffenden.

Grafik, Zeichnung, Skizze, Entwurf, Gouache, Collage und Fotografie gehen ein assoziatives Zusammenspiel ein aus kraftvollen Setzungen, feinen Zwischentönen und unerwarteten Akzenten. Im gesamten dritten Obergeschoss des Museums eröffnet sich so ein vielfältiger, generationenübergreifender Einblick in die Arbeit konstruktiv-konkreter und konzeptueller KünstlerInnen auf und mit Papier.

Mit Max Bills "quinze variations sur un même theme" von 1938 wird ein Meisterwerk moderner Druckkunst gezeigt. Das Blatt in der oberen linken Ecke der quadratischen Hängung offenbart das Grundthema des sechzehn Blätter umfassenden Variationenwerks: eine Spiralbewegung, die mit je gleich langen Linien von einem Dreieck zu einem Viereck über ein Fünf- bis zu einem Achteck führt und zurück. Dabei gehört stets eine Linie sowohl der vorhergehenden als auch der folgenden Form an. Das Liniengerüst wird in den weiteren Blättern fünfzehnfach variiert, zum Beispiel durch den Einsatz von Farben, die Überlagerung mit kreisförmigen Elementen oder die Verbindung der Schwer- und Eckpunkte. Bills "quinze variations" gelten als ein Schlüsselwerk im grafischen Œuvre der Zürcher Konkreten, zu deren Kern das Museum auch Richard Paul Lohse, Verena Loewensberg und Camille Graeser zählt. 

Richard Paul Lohse setzte in der künstlerischen Druckgrafik die Prinzipien seiner als Maler entwickelten Arbeit mit seriellen Formen um. In "Works on Paper" ist er unter anderem mit dem Siebdruck "4 verbundene Gruppen" vertreten. Dem umfangreichen Werkkomplex der "Modularen Ordnungen" zugehörig, setzt sich die Serigrafie aus ineinander verschränkten F-Konstellationen in Blau, Rot, Gelb und Grün und einer Quadratform im Bildzentrum zusammen, die wiederum aus vier kleineren Quadraten in denselben vier Farben besteht. Die Arbeit entstand 1966, also wenige Jahre vor dem grossen internationalen Aufschwung der Grafik Anfang der 1970er-Jahre. Für Lohse wie auch für andere VertreterInnen der konstruktiven und konkreten Kunst sollten die beiden Folgejahrzehnte zu den produktivsten werden im Hinblick auf Druckgrafiken – und insbesondere im Hinblick auf Serigrafien. Der Aufschwung war auf die technische Perfektionierung dieses Druckverfahrens und dessen Akzeptanz als künstlerisches Medium zurückzuführen. Denn erst der Siebdruck bot den KünstlerInnen die Voraussetzungen für die Wiedergabe von genau bemessenen Flächen und Farbtönen und machte ihre gestalterischen Ideen einem breiten Publikum zugänglich. Lohses frühe Serigrafie, deren Thema der "Gruppenordnungen mit vier Farben" er in den folgenden Jahren auf Papier (und Leinwand) weiterverfolgt hat, ist ein gelungenes Beispiel dafür.

Auch Verena Loewensberg schätzte den Siebdruck für die Möglichkeit, mit satten Farben und präzise aufeinander abgestimmten Formen zu experimentieren. In "Works on Paper" ist die Künstlerin indes mit einem betont zurückhaltenden und hinsichtlich des Druckverfahrens für sie einmaligen Werk vertreten. Die Blätter von "16 gravures" aus dem Jahr 1975 sind die einzigen bekannten Kupferstiche in Loewensbergs Œuvre. Auf jedem der sechzehn kleinformatigen Blätter sind acht unterschiedlich lange Linien zu sehen, die kürzeste misst einen, die zweite zwei Zentimeter und so fort bis hin zur letzten Linie, die acht Zentimeter misst. Sie alle strahlen von einem gemeinsamen Punkt in der Blattmitte aus und werden hinsichtlich ihrer Ausrichtung oder aber ihrer Reihenfolge und Auffächerung variiert.

Auch von Camille Graeser zeigt das Museum Haus Konstruktiv filigran gearbeitete Sammlungswerke, sorgfältig von Hand in Tusche und Tempera ausgeführte Zeichnungen. "Grün-lila Konstruktion" und "Rot-weiss-grün" aus den frühen 1960er-Jahren veranschaulichen, wie Graeser das Trägermaterial Papier nutzte, um die Zeichnung als Gattung innerhalb der konkreten Kunst zu etablieren. Hier definierte er das Verhältnis der Komposition zum nicht bearbeiteten Grund anders als in seiner Malerei und setzte nur ein Minimum an deckend gemalten Farben und fein gezogenen Linien ein. Die abstrakte Komposition erscheint – gestützt durch ein unsichtbares Raster – in ein schwebendes Gleichgewicht gebracht und aus der klassischen Figur-Grund-Opposition herausgelöst.

Die Figur-Grund-Thematik beschäftigt auch Sam Porritt, allerdings in einem zeitgenössischen zeichnerischen Kontext. In "Figure Ground Problem Study" von 2021 schmiegen sich wellenartige Muster in Rot, Blau und Gelb dicht aneinander, drängen abwechselnd vor und zurück und bringen abermals das in der Kunstgeschichte wohlbekannte Phänomen – die irritierende Gleichwertigkeit von Hintergrund und Motiv – zur Anschauung. Porritt begegnet ihm mit Leichtigkeit, indem er eine lockere, skizzenhafte Untersuchung in Tusche und Wachskreide daraus macht. 

Andere Zeichnungen in der Ausstellung wie jene der Basler Künstlerin Maya Stange zeichnen sich durch ihre genauen, in Blei- und Farbstift ausgeführten Linienstrukturen aus. Bei anderen Bleistiftzeichnungen handelt es sich um Übungs- oder Entwurfszeichnungen, die für Arbeiten jenseits des Papiers geschaffen wurden. Dazu zählen beispielsweise die zahlreichen "esercizi" des Schweizer Künstlers Hans Jörg Glattfelder aus den 1960er-Jahren. Oder die beiden Zeichnungen zu "Wall Drawing Haus Konstruktiv (A)", die Sol LeWitt, einer der bekanntesten Vertreter der amerikanischen Minimal Art, für eine eigens für das Zürcher Museum konzipierte Wandzeichnung angefertigt hat.

Eng mit dem Haus sind auch die Linienverläufe in der vierzehnteiligen Papierarbeit "Climate Control" (2015/2016) des Schweizer Künstlers Thomas Moor verbunden. Aufgezeichnet wurden sie von einem Thermohygrografen, einem Gerät, das in Museen die Temperatur und die relative Luftfeuchtigkeit misst. Vierzehn Wochen lang hat es auf Papier Messkurven festgehalten, die an Aufzeichnungen auf Vitaldatenmonitoren in Spitälern erinnern – als würden die Blätter die Funktionstüchtigkeit des Museumskörpers dokumentieren.

Die Fotoserie von Ryan Gander ist ebenfalls direkt mit dem Haus verknüpft. Für seine Einzelausstellung 2010 fotografierte der britische Konzeptkünstler Bildmaterial, das Werke aus der Sammlung zeigt, darunter Lohses "4 verbundene Gruppen". Indem Gander einen Ausschnitt aus dem reproduzierten Bild auswählte, in dem der obligate Streifen zum Farbabgleich sichtbar bleibt, und seiner Fotografie darüber hinaus einen zweiten Streifen hinzufügte, machte er auf die unterschiedlichen Anwendungen von Farbe aufmerksam, die in derartigen Reproduktionen aufeinandertreffen: die vom Kunstschaffenden in der konkreten Druckgrafik oder Malerei nach strenger Systematik eingesetzte Farbe und eine nach industriellen Standards normierte, funktionale Farbkarte.

Die zweiteilige Fotoarbeit "Investigation #15 – Although you’ve given me everything (Lohse)" und weitere Teile derselben Serie werfen Fragen nach unterschiedlichen Farbkonzepten, künstlerischer Autorschaft und Dokumentationsweisen auf und bilden einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Im Unterschied zu Zeichnungen und Prints, bei denen das Papier meist sichtbar bleibt, wird bei Gouachen der Blick auf das Trägermaterial oft von einem pastosen Farbauftrag verdeckt. Arbeiten wie "Komposition S 67" (1967) von Gido Wiederkehr oder jene ohne Titel von Frank Badur (2002) erreichen durch die Betonung der Fläche und den Einsatz satter Farben eine malerische Qualität. Einmal mehr wird deutlich, wie vielfältig die künstlerische Arbeit mit Papier sein kann. Gleiches gilt für die Collagen von Victor Vasarely oder Marguerite Hersberger, bei denen es sich nicht nur um Arbeiten auf sondern auch mit Papier handelt. Beinahe vollständig aus Papier besteht das Readymade "Poubelle" des französischen Künstlers Arman: aus dem Inhalt eines Abfallkorbs, gesammelt in einer Box aus Plexiglas.

"Works on Paper – Papierarbeiten aus der Sammlung" zeigt Werke von: 

Getulio Alviani (1939–2018), Arman (1928–2005), Frank Badur (*1944), Horst Bartnig (*1936), Etienne Béothy (1897–1961), Max Bill (1908–1994), Walter Dexel (1890–1973), Norman Dilworth (*1931), Florian Dombois (*1966), Burhan Doğançay (1929–2013), Rita Ernst (*1956), Corsin Fontana (*1944), Ryan Gander (*1976), Ludwig Gebhard (1933–2007), Karl Gerstner (1930–2017), Hans Jörg Glattfelder (*1939), Jean Gorin (1899–1981), Camille Graeser (1892–1980), Wade Guyton (*1972), Marguerite Hersberger (*1943), Anthony Hill (1930–2020), Gottfried Honegger (1917–2016), Malcolm Hughes (1920–1997), Karin Ilse Käppeli-von Bülow (*1943), Sol LeWitt (1928–2007), Richard Paul Lohse (1902–1988), Verena Loewensberg (1912–1986), Peter Lowe (*1938), Elena Lux-Marx (*1944), Kenneth Martin (1905–1984), Thomas Moor (*1988), Jean Pfaff (*1945), Ruth Pfalzberger (*1949), Sam Porritt (*1979), Dieter Roth (1930–1998), Manfred Schoch (1932–2015), Maya Stange (*1926), Jeffrey Steele (1931–2021), Sophie Taeuber-Arp (1889–1943), Georges Vantongerloo (1886–1965), Victor Vasarely (1906–1997), Markus Weggenmann (*1953), Gido Wiederkehr (*1941), Gillian Wise (1936–2020), Susan York (*1951), Shizuko Yoshikawa (1934–2019), Beat Zoderer (*1955). 

mhk

Kuratorinnen:

Sabine Schaschl, Evelyne Bucher und Eliza Lips

Kontakt:

https://www.hauskonstruktiv.ch/deCH/ausstellungen/ueberblick/jahresprogramm-2021.htm

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Bild: Sam Porritt, Figure Ground Problem Study, 2021, Collection Museum Haus Konstruktiv. Donation by the artist and Alys Williams VITRINE, London/Basel 

 

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